Alles, was wir sind
Boris Pasternak schreibt schon seit Jahren an seinem großen Roman "Doktor Schiwago". Er ist Mitglied des sowjetischen Schriftstellerverbandes, bei den Menschen ist er beliebt ob seiner Gedichte und die stalinistischen Säuberungen hat er ohne wesentliche Beeinträchtigungen überstanden. Als aber ruchbar wird, dass der Roman Schiwago auch und gerade die Bürgerkriegsgräuel zum Thema hat, gefällt das den Sowjets nun gar nicht. Sie lassen Pasternak noch in Ruhe, aber seine langjährige Geliebte Olga Iwinskaja wird willkürlich zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt. Nach drei Jahren, nach Stalins Tod 1953, kommt sie vorzeitig frei. Auch westliche Verleger wissen von dem Roman und versuchen über geheime Mittelsmänner, sich die Rechte zu sichern. Und der US-amerikanische Geheimdienst CIA ist auch an dem Buch interessiert. Die Agency setzt auf eine langsame Veränderung ideologischer Überzeugungen. In Russland darf der Roman nicht erscheinen, also suchen und finden sie Mittel und Wege, den Roman illegal in der Sowjetunion zu verbreiten ... - Abgesehen von den Ereignissen in Moskau und Peredelkino, der Datschensiedlung des Schriftstellerverbandes, spielt sich viel in Washington ab. Die Schilderungen der Vorgänge in der Agency, die Abläufe von Einsätzen geeigneter Mitarbeiterinnen, hier von Stenotypistinnen, sind aufschlussreich und spannend. Hier kommen die Mad Men genauso vor wie die idealistischen Agentinnen. Es ist eine gut recherchierte, fesselnde, aufregende, gelegentlich - die Gulag Beschreibungen Olgas - aufwühlende Geschichte. Der Roman wird ganz sicher eine breite Leserschaft finden.
Erwin Wieser
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Alles, was wir sind
Lara Prescott ; aus dem Amerikanischen von Ulrike Seeberger
rütten & loening (2019)
474 Seiten
fest geb.