Mein Glück kennt nicht nur helle Tage

Festzustellen, dass das sehnlichst erwartete Baby behindert ist, ist für jede Mutter ein Schock, der die Welt zum Wanken bringt. Gabriele Noack hat das erlebt: Bei ihrem zweiten Sohn Julius besteht schnell der Verdacht auf eine nicht näher diagnostizierte Mein Glück kennt nicht nur helle Tage Hirnschädigung. Julius entwickelt sich nicht normal, und schon bald steht fest, dass es sich nicht nur um eine Entwicklungsverzögerung handelt, wie die optimistische Krankengymnastin lange zu trösten versucht. Schwere epileptische Anfälle stellen sich ein und für die kleine Familie wird es nach und nach zur Gewissheit, dass Julius schwer körperlich und geistig behindert ist und bleiben wird. Für Gabriele Noack bricht eine Welt zusammen, bedeutet es doch, dass der Traum vom perfekten Leben, von der perfekten Familie mit den perfekten Kindern ausgeträumt ist. Noack beschreibt eindrücklich, ehrlich und unverblümt ihre Reaktionen auf diesen Schock und die Auswirkungen auf Partnerschaft und Familie. Die junge Frau schwankt zwischen Trauer und Wut, Abwehr und Liebe, Scham und Trotz. Sie ist so verunsichert und so verzweifelt, dass die Reaktionen der Mitmenschen auch bei gutem Willen immer falsch bei ihr ankommen. Erst allmählich findet sie zu neuer Stabilität und Stärke. Eine große Stütze hierbei sind ihr die anderen Frauen in der Frühförderungsgruppe. Der Gedankenaustausch mit diesen Schicksalsgefährtinnen, die unverbrüchliche Liebe ihres Mannes und die Unverkrampftheit des ersten Sohnes im Umgang mit Julius helfen ihr, nicht nur die veränderten Lebensbedingungen zu akzeptieren, sondern auch den bisher angestrebten allgegenwärtigen Perfektionismus und die Sucht nach der entsprechenden Außenwirkung zu hinterfragen. Mit Julius ist eben kein Staat zu machen: Julius kann nicht laufen, nicht essen, nicht sprechen. Julius kann man nur versorgen - und lieben. Und diese Liebe, die Noack, ihr Mann und ihr Sohn für Julius empfinden, macht doch überreich. - Eindrücklicher Erfahrungsbericht, der aufgrund der ehrlich geschilderten Gedanken und Gefühle und kritischen Reflexionen, mit denen die Autorin an ihrer Entwicklung teilhaben lässt, bereichernd ist für jeden Leser und jede Leserin. Überall empfohlen.

Ulrike Braeckevelt

Ulrike Braeckevelt

rezensiert für den Borromäusverein.

Mein Glück kennt nicht nur helle Tage

Mein Glück kennt nicht nur helle Tage

Gabriele Noack
Bastei Lübbe Taschenbuch (2016)

Bastei Lübbe Taschenbuch ; 60889
268 S.
kt.

MedienNr.: 585967
ISBN 978-3-404-60889-8
9783404608898
ca. 10,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Bi
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