Egon Friedell
Es ist bereits die fünfte deutschsprachige Biografie, die sich dem 1878 in Wien geborenen Egon Friedell widmet. Dieser ist heute leider beinah unbekannt, seine Bücher dürften aus den meisten Büchereien verschwunden sein und neben seiner "Kulturgeschichte der Neuzeit", ist mit seinem Namen kaum etwas anderes verbunden. Dabei lebte er, wie sein Bruder im Geiste, Alfred Polgar, zwischen den Kulturgrößen seiner Zeit: Hofmannsthal, Peter Altenberg, Max Reinhardt u.a.. Die Beschreibung der zeitgeschichtlichen und kulturellen Bedingungen dieser Bohème, des fließenden Übergangs von Feuilleton in Hochkultur, vom Brettl zum Theater ist kaum besser als bei Friedell zu studieren. Dass dieses jüdische Leben, vom Alkohol gezeichnet und am Schluss von der Verfolgung durch die Nazis bedroht, im Selbstmord endete, kann Viel nicht immer einfühlend nachvollziehbar machen. Die Psychologie der Persönlichkeit ist nicht Stärke des Biografen, wohl aber der Epochenaufriss mit detailreicher Schilderung des Lebensgangs dieses genialen Dilettanten, wie Friedell sich selbst nannte. Dass er dies auch auf dem Theater war, dem er einen Großteil seiner Lebenszeit widmete, wäre ebenso stärker hervorzuheben. Wohltuend sachlich, kenntnisreich und frei von Bewertungen liegt eine Biografie vor, die jedoch eher Spezialbeständen vorbehalten bleiben wird.
Helmut Krebs
rezensiert für den Borromäusverein.
Egon Friedell
Bernhard Viel
C. H. Beck (2013)
351 S. : Ill.
fest geb.