Georg Büchner
Man kommt bei dieser Büchner-Biografie aus dem Staunen nicht heraus. Farbig erzählt, einfühlsam bis zum "Was wäre, wenn ..." der Spekulation, detailklug mit den Lebensdaten Büchners verfahrend, ohne sie als Aufmerksamkeitskulisse vor dem Werk aufzubauen: Das sind die großen Vorzüge des Buches, das der Mainzer Germanist Hermann Kurzke über Georg Büchner geschrieben hat, dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr gedacht wird. Kurzke vertieft sich in das kurze Leben dieses bereits im Alter von 23 Jahren vom Typhus dahingerafften Dichters und Naturwissenschaftlers, der ein "bürgerlicher Intellektueller" und ein "romantischer Groteskkünstler" war, ein genialischer Künstler und ein melancholischer Revolutionär. Neben den drei Dramen, der "Lenz"-Novelle und der Flugschrift "Der hessische Landbote" gilt ein besonderes Augenmerk Büchners "Liebesgeschichten", der mit der Verlobten Minna Jaeglé und der mit der rätselhaften "fille perdue", einem "gefallenen Mädchen". Den Horizont unseres Büchner-Wissens reißt Hermann Kurzke geradezu auf mit seiner These von Büchners "wilder Urreligiösität", seinem "jesuanischen Christentum". Hier lernt man viel Neues über Büchners unerlöste Figuren, die im Zeichen der Passion, nicht der Erlösung stehen. Nicht weil er Materialist war, argumentiert der Biograf, sondern weil "er Christ war, musste er die Welt verbessern." Kein Zweifel, Hermann Kurzkes Biografie ist - nach Hans Mayers Büchner-Buch (1959) - die wohl bislang beste Biografie dieses visionären Multigenies, in dem seine Zeit und die Zukunft brodelten. Allen Beständen sehr empfohlen.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Georg Büchner
Hermann Kurzke
Beck (2013)
591 S. : Ill.
fest geb.