Die Nonnen von Sant' Ambrogio

Ein Skandal um Sex und Mord in einem römischen Nonnenkloster? - Man könnte resigniert die Schultern zucken, schon wieder ein Buch, das verbreitete Vorurteile über die (vermeintlich) wahren Zustände in der katholischen Kirche bedient. Doch Hubert Die Nonnen von Sant' Ambrogio Wolf, der Autor dieses Buches, ist als Kirchenhistoriker weit über die Grenzen seines Faches hinaus angesehen. Er hat im Geheimarchiv der Glaubenskongregation einen Fall ausgegraben, der weit mehr ist als eine aufgebauschte Skandalgeschichte. Im Sommer 1859 erstattete Katharina Fürstin von Hohenzollern-Sigmaringen Anzeige bei der römischen Inquisition. Darin warf sie Nonnen des Klosters Sant' Ambrogio in Rom, dessen Novizin sie war, und ihren Beichtvätern Verehrung falscher Heiliger, den Bruch des Keuschheitsgelübdes und einen Mordanschlag auf sie vor. Ihr Cousin, Erzbischof Gustav Adolf zu Hohenlohe-Schillingsfürst, ein enger Mitarbeiter Papst Pius IX., habe sie im letzten Moment aus dem Kloster gerettet. Ihre Anzeige setzte einen Prozess in Gang, der einen Skandal zutage förderte, dessen Ausläufer bis in die höchsten Kreise der Kurie reichten. In der Verwicklung prominenter Kirchenmänner liegt dann auch die über den Skandal hinausreichende Bedeutung des Falles. Er gehört in den Hinterhof der Geschichte des Unfehlbarkeitsdogmas und folgenreicher kirchenpolitischer Weichenstellungen in der zweiten Hälfte des 19. Jh. Im Laufe der Ermittlungen stellte sich nämlich u.a. heraus, dass einer der beiden Beichtväter des Klosters kein geringerer war als Joseph Kleutgen, der engste theologische Berater Pius IX., der u.a. das Unfehlbarkeitsdogma ausarbeitete. Er gehörte zu einem jesuitischen Netzwerk, das großen Einfluss auf Pius IX. hatte und dabei war, die katholische Kirche im Sinne der neuscholastischen Theologie auf den Papst und die römische Zentrale auszurichten. - Auf weiten Strecken gleicht Hubert Wolfs Darstellung einem historischen Roman. Das liegt zum einen am Stoff, der sämtliche Klischees über die katholische Kirche bedient, aber es liegt auch daran, dass Wolf es versteht, den Prozess für ein breites, historisch interessiertes Publikum spannend aufzubereiten. Seine Studie zeigt einmal mehr, dass es Menschen mit allen Fehlern und Unzulänglichkeiten sind, die die Geschichte der Kirche prägen. Im Sinne eines offenen und nüchternen Umgangs mit der Kirchengeschichte allen Büchereien mit (kirchen-)historisch interessierten Leser/innen sehr empfohlen.

Christoph Holzapfel

Christoph Holzapfel

rezensiert für den Borromäusverein.

Die Nonnen von Sant' Ambrogio

Die Nonnen von Sant' Ambrogio

Hubert Wolf
Beck (2013)

544 S. : Kt.
fest geb.

MedienNr.: 574494
ISBN 978-3-406-64522-8
9783406645228
ca. 24,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Re
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