Hanna und Sebastian

Hanna ist Ärztin, Sebastian Historiker und Journalist. Nach einigen wunderbar romantischen Tagen in Rom schreiben sie sich Briefe, um einander nahezubleiben. Je länger sie einander schreiben, ihre Zuneigung und Liebe schriftlich leben, desto schwieriger Hanna und Sebastian wird es für sie, sich zu einem Treffen zu entschließen. Diese Briefe - und später die E-Mails - sind in einer kompliziert konstruierten Schriftsprache geschrieben und erinnern stilistisch an Thomas Mann (über den der Autor promoviert hat), was v.a. in Mails ganz unüblich ist ("Meine Hannaschöne, Mein seltsamer Sebastian-Mensch"). Und doch sind diese Briefe anrührend, v.a. die schonungslose Offenheit, in der alle Befindlichkeiten ausgebreitet werden, aber auch die Frage nach Glück, nach dem Sinn des Lebens. In die sprachliche Intimität hinein brechen Schicksalsschläge auf beiden Seiten. So leidet Hanna mit ihrer magersüchtigen Schwester, die, vom Freund der Mutter missbraucht, keinen Halt im Leben findet. Auch sie selbst wurde Opfer sexueller Gewalt und ist nahezu außerstande, Kontrolle in ihrem Leben abzugeben. Nachdem sie sich von ihrem Freund Markus getrennt hatte, nahm der sich das Leben. Sebastian findet die herzensgute Sibylle und bekommt mit ihr ein Kind. Als das zweite unterwegs ist, wird bei Sibylle Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert; sie stirbt. Das erfährt der Leser aus den Briefen, desgleichen zeitgeschichtliche Ereignisse (Bankencrash etc.). Über 10 Jahre zögern sie ein Wiedersehen hinaus, das Ende bleibt offen. In den beiden Protagonisten spiegelt sich unser aller Bedürfnis nach einem Menschen, dem wir uneingeschränkt vertrauen, an den wir uns in schweren Zeiten anlehnen, dem wir uns verletzlich zeigen können. Die Lektüre erfordert Geduld, ist aber ein sprachlicher Genuss.

Ileana Beckmann

Ileana Beckmann

rezensiert für den Borromäusverein.

Hanna und Sebastian

Hanna und Sebastian

Thomas Klugkist
Beck (2014)

429 S.
fest geb.

MedienNr.: 400052
ISBN 978-3-406-65960-7
9783406659607
ca. 19,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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