Tod in der Wüste
Obwohl heute, untermauert durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, der durch die Türkei in den Jahren 1915/16 verübte Völkermord an den Armeniern nicht mehr geleugnet werden kann, findet dieser Genozid als solcher in der offiziellen türkischen Geschichtsschreibung keinerlei Erwähnung, man spricht vielmehr von kriegsbedingten Notwendigkeiten, verschleiert die gezielten Deportationen als Umsiedlung und redet die ungeheuer große Opferzahl klein. An dieses verbrecherische, genau kalkulierte und organisierte Verbrechen erinnert Rolf Hosfeld mit diesem erschütternden Buch, das auf zeitgenössische Berichte und politische Stellungnahmen der am Krieg beteiligten Staaten aufbaut. Es ist zutiefst verstörend zu lesen, mit welcher Gleichgültigkeit die deutsche Regierung als wichtigster militärischer Verbündeter die Verfolgung und Ermordung der armenischen Bevölkerung hingenommen hat, sodass man im Grunde von einer gewissen Mitverantwortung des Deutschen Reichs sprechen kann. Dass es nicht erst während des Ersten Weltkriegs zu Übergriffen kam, erläutert der Verfasser an detailliert, präzise und mit der nötigen Hintergrundinformation beschriebenen Beispielen, wobei auch hier der deutsche Kaiser eine undurchsichtige Rolle spielte. Abschließend weist Hosfeld darauf hin, dass die juristisch unklare Aufarbeitung des Völkermords zu Überlegungen führte, Regeln zur Verfolgung von Massenmord aufgrund religiöser, ethnischer oder sozialer Herkunft zu schaffen, was letztlich 1948 in der "UN-Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Genozids" geschah. - Für große Bestände.
Inge Hagen
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Tod in der Wüste
Rolf Hosfeld
Beck (2015)
287 S. : Ill., Kt.
fest geb.