Die Sprache der Vögel
Noch ein Afghanistan-Roman, der einem deutschen Soldaten in ein Feldlager folgt, braucht es den, so könnte man fragen. Was also erzählt Norbert Scheuer in den Tagebuchaufzeichnungen des Bundeswehrsanitäters Paul Arimond, den er in ein fiktives Feldlager in Afghanistan begleitet? Pauls besonderes Augenmerk gilt der Vogelwelt des Landes, für den Leser auch durch feine Aquarellzeichnungen in Grautönen im Buch präsent. Paul wurde von seinem Vater in die Kunst der Vogelbeobachtung eingeführt, verknüpft mit Geschichten über einen Vorfahren, Ambrosius Arimond, der in der Sprache der Vögel, in ihrem Flugbild und ihren Wanderungen geradezu den Schlüssel zur Welt zu entdecken hoffte und der auf jahrelangen Forschungsreisen auch nach Afghanistan gekommen war, das ihm als Land der Vögel schlechthin galt. Mit diesen Bildern im Kopf fügt Paul neben der Schilderung der wenigen Einsätze und der öden Routine des Lagerlebens seinem Aufenthalt in Afghanistan eine Dimension des Naturerlebens hinzu. Die Vogelwelt wird für ihn zu einem Rückzugsort gegenüber der latent immer spürbaren Kriegsbedrohung, die Paul eher sachlich zur Kenntnis nimmt. Er hat bereits Verwüstungen ganz anderer Art kennengelernt: Sein bester Freund wurde bei einem von Paul verursachten Unfall schwer verletzt und ist seither schwer behindert. Die Beziehung seiner Eltern ist seit einer Untreue seiner Mutter völlig zerrüttet, die Schwester ist völlig aus dem Tritt geraten. Pauls erste Liebe ist zu Ende. - Ein stilles, feines Buch, das irgendwo im Raum zwischen den Extremen von Kriegslärm und den Stimmen der Vögel auslotet, wie man mit den Ungeheuerlichkeiten umgehen kann, vor die das eigene Leben einen stellen kann.
Angelika Rockenbach
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Die Sprache der Vögel
Norbert Scheuer
Beck (2015)
237 S. : Ill.
fest geb.