Metternich
Zweifellos war der Architekt der Neuordnung Europas nach der Niederlage Napoleons und dem Ende der französischen Hegemonie eine Jahrhundertgestalt der internationalen Politik. An dieser Ordnung der "Restauration" und damit auch an ihrem spiritus rector rieb sich von Anfang an die erstarkende nationale Bewegung, Metternich wurde zum Inbegriff des reaktionären Politikers. Schon im Titel macht der renommierte Münchener Historiker Siemann die Akzente seiner Neubewertung deutlich: Als kosmopolitisch und eher liberal gesinnter Adliger sei Metternich in seiner Skepsis gegenüber dem Ideal des homogenen Nationalstaates seiner Zeit voraus gewesen. Ihm sei es um die Schaffung neuer Grundlagen für eine dauerhafte gesellschaftliche und staatliche Ordnung nach dem Ende der "alten Welt" gegangen, und zwar auf der Basis des Ausgleichs zwischen Imperialmächten. Der Autor versucht, das Denken und Wirken des Fürsten Metternich aus dessen Zeit und persönlichen Erfahrungen heraus zu deuten. So entsteht das lebendige und vielschichtige Bild eines Staatsmannes, dem es gelang, durch immer neues Ausbalancieren der politischen Kräfte Europa eine lange Friedensperiode zu sichern. Die Biografie zeigt nicht nur den Politiker, sondern auch den traditionsbewussten Reichsgrafen, den frühkapitalistischen Unternehmer und nicht zuletzt den Frauenversteher Metternich. - Das detailreiche, anspruchsvolle, gelehrte Werk über den Meister der Realpolitik setzt Maßstäbe und wird größeren Beständen wärmstens empfohlen.
Johann Book
rezensiert für den Borromäusverein.
Metternich
Wolfram Siemann
Beck (2016)
983 S. : Ill.
fest geb.