Volles Risiko

Der Rücktritt des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff ist vielen noch im Gedächtnis. Über Wochen war Wulff das Medienthema schlechthin, bis er im Februar 2012 schließlich zurücktrat. Mittlerweile erscheinen die Vorgänge in einem anderen Licht und "die Medien" kommen dabei nicht gut weg. Ein vergleichbarer Mediensturm ist auch über Susanne Gaschke hergezogen. Sie war bis Oktober 2013 Oberbürgermeisterin von Kiel und verlor ihr Amt aufgrund einer mutmaßlichen Steueraffäre. In ihrem Buch "Volles Risiko" schildert die ehemalige Journalistin, wie sie in die Politik wechselte und warum sie nach knapp einem Jahr an der Spitze zurücktreten musste. Anschaulich beschreibt sie den harten Wahlkampf, innerpolitische Machtkämpfe und die engen Handlungsspielräume der kommunalen Verwaltung. Dabei kritisiert sie vor allem den phrasenhaften Politikstil der meisten Karrierepolitiker und die Skandalisierungstendenzen der Medien, für die Schlagzeilen oft wichtiger sind als die Suche nach der Wahrheit. So schreibt Susanne Gaschke: "Menschen im Skandal sind für zu viele Journalisten keine Menschen. Sie sind Material." (S. 233) - Die Aufarbeitung der Ereignisse ist sehr persönlich und eindrücklich geschrieben, aber auch sehr subjektiv und stark im Tenor einer Rechtfertigung gehalten, die in der Hochphase des Skandals kein Gehör gefunden hätte. Insbesondere ihre Überraschung über das Verhalten von journalistischen wie politischen Weggefährten scheint manchmal etwas aufgesetzt. Schließlich kannte sie den Politikzirkus aus ihrer jahrelangen Tätigkeit für die "Zeit" sehr gut und auch in der Kommunalpolitik war sie nicht ganz neu. Dennoch für den kritischen Leser ein empfehlenswertes Buch, da es einen Blick hinter die Kulissen der Politik- und Medienlandschaft in Deutschland wirft und die bestehenden Verhältnisse hinterfragt.