Etta und Otto und Russell und James

"Ich bin weggegangen", schreibt Etta ihrem Mann Otto. "Ich habe noch nie das Meer gesehen und habe mich nun auf den Weg gemacht." Etta ist fast 83 Jahre alt und fürchtet, dement zu werden. Die gut 3.200 Kilometern quer durch Kanada schrecken sie nicht, ihre größte Sorge ist, völlig in die Demenz abzugleiten, ohne ihr Ziel erreicht zu haben. Unterwegs schließt sich ihr ein Kojote an. Sie nennt ihn James und er wird eine Art Schutzengel für sie. Otto lässt Etta gehen, er weiß, dass er sie nicht aufhalten kann. Als die Zeitung über sie berichtet, kauft er alle Exemplare auf, die er in der Umgebung findet - und verarbeitet sie zu einer Galerie von Pappmaché-Figuren. Ganz anders reagiert ihr Nachbar und Freund Russell. Höchst besorgt reist er Etta nach und spürt sie in der Wildnis auf. Sie mach ihm unmissverständlich klar, dass sie nicht nach Hause zurückkehren wird, ehe sie das Meer gesehen hat. Russel empfiehlt sie, sich endlich auch einen Traum zu erfüllen. Zwischen diese Episoden erzählen Rückblenden aus dem Leben der drei, wie sich die Volksschullehrerin Etta und der Farmerssohn Otto kennenlernten, dass Otto im Zweiten Weltkrieg in Europa kämpfte und wie Russel in diese Geschichten passt. - Emma Hoopers Roman weist starke Parallelen zu "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry" von Rachel Joyce auf (BP/mp 12/625). Das stört, zumal einige Elemente dieser Ebene sehr konstruiert wirken. Andererseits erzählt Hooper eine berührende Geschichte von drei Menschen, die sich auch im hohen Alter das Heft nicht aus der Hand nehmen lassen. Sie stellt damit die Frage, was nötig ist, um in Würde zu altern. Wunderbare Landschaftsbilder, magische Momente und die gelungene Parallele zwischen Ettas Wanderung und der Rückschau auf Ottos Kriegserlebnisse verleihen dem Roman seinen eigenen Reiz. Deshalb als Unterhaltungslektüre mit Tiefgang schon kleineren Büchereien empfohlen. (Übers.: Michaela Grabinger)