Du musst die Wahrheit sagen
Toms Mutter, von je her unstet, wenig durchsetzungsfähig und immer auf der vergeblichen Suche nach einer dauerhaften Partnerschaft, zieht nach einer Erbschaft mit dem 15-jährigen Jungen und seinen beiden Halbgeschwistern in ihr Elternhaus. Toms Auseinandersetzungen mit seinem gewalttätigen Halbbruder Morgan enden nicht selten blutig. Auch in der neuen Schule, die den cleveren Jungen deutlich unterfordert, steht Tom mit seinem deutlich ausgeprägten Gerechtigkeitssinn schon bald im Zentrum von Mobbing und Gewaltausbrüchen. Nur der alte Mann aus dem Nachbarhaus, der sich ihm schon bald als sein bisher unbekannter Großvater zu erkennen gibt, scheint sich wirklich für den Jungen zu interessieren. Ausgerechnet von ihm bekommt Tom Zugang zu einem Gewehr, das der zunehmend überforderte Junge ganz selbstverständlich benutzt, als seine Halbschwester vom neuen Freund der Mutter bedrängt wird. - Der bekannte schwedische Autor, der in seinen Jugendromanen immer wieder die alltägliche Gewalt und die soziale Kälte in der Gesellschaft thematisiert, lässt wenig Hoffnung, dass sich Toms Situation trotz der anlaufenden psychologischen Betreuung wirklich verbessern wird. Mit seinem sachlich distanzierten und streckenweise sehr lakonischen Erzählton aus Toms Perspektive konfrontiert er den Leser mit einem einsamen und verzweifelten Jungen, der auf die Gleichgültigkeit und die erschreckende Sprachlosigkeit seiner Familie mit seelischen Verletzungen und einer unterschwelligen Wut reagiert, die irgendwann ausbrechen muss. Der sperrige Roman mit seiner eher spärlichen Handlung erschließt sich trotz vieler sehr eindrucksvoller sprachlicher Bilder nur schwer und überlässt die Einordnung des Geschehens fast ausschließlich der Interpretation des Lesers. Jugendliche Leser werden sich mit der wenig konkreten Komplexität des Romans schwer tun, der sicher nicht das beste Buch des Autors ist. (Übers.: Angelika Kutsch)
Angelika Rockenbach
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Du musst die Wahrheit sagen
Mats Wahl
Hanser (2011)
232 S.
fest geb.