Hier könnte das Ende der Welt sein
Der 17-jährige Cullen wohnt in einem kleinen Städtchen in Arkansas und fühlt sich dort wie am Ende der Welt. Mit Mädchen tut er sich schwer, sein liebenswerter und sehr begabter Bruder Gabriel ist sein bester Freund. Eines Tages taucht in Lily ein Mann auf, der behauptet, in der Umgebung der Stadt einen lange für ausgestorben gehaltenen Specht entdeckt zu haben. Die vermeintliche Sensation weckt bei vielen Einwohnern die Hoffnung auf den wirtschaftlichen Aufschwung durch vogelbegeisterte Touristenströme. Als kurze Zeit später Gabriel aus heiterem Himmel spurlos verschwindet, scheinen sich die Menschen zu Cullens Entsetzen nach einer kurzen Zeit der Anteilnahme mehr für die Suche nach dem ominösen Vogel als für die nach seinen Bruder zu interessieren. - Seit er denken kann, hat Benton Sage alles daran gesetzt, seinem fundamental religiösen und unerbittlich fordernden Vater zu gefallen. Als er als Missionar in Äthiopien scheitert und daraufhin von seiner Familie fallengelassen wird, versucht er zwar einen Neuanfang, steigert sich aber immer mehr in religiöse Wahnvorstellungen hinein und nimmt sich schließlich das Leben. Ein Kommilitone findet in seinem Nachlass ein Tagebuch, das sein Leben auf tragische Weise verändern wird. - Wie diese beiden lange irritierend unabhängig voneinander existierenden Erzählebenen zusammenhängen, erfährt der Leser erst am raffiniert konstruierten Ende dieses ziemlich ungewöhnlichen Jugendromans. Das äußerst komplexe Buch braucht literarisch erfahrene und urteilsfähige junge Leser, die sich auf die vielschichtige und sprachlich sehr ambitionierte Erzählung mit den oft irritierenden Perspektivwechseln einlassen wollen. Die Tatsache, dass die Geschichte auch bei großer Konkurrenz zeitgleich gelesener Neuerscheinungen noch Tage später nachklingt, spricht jedenfalls für die Qualitäten des Romans. (Übers.: Andreas Jandl)
Angelika Rockenbach
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Hier könnte das Ende der Welt sein
John Corey Whaley
Hanser (2014)
213 S.
fest geb.