Mein Vaterland war ein Apfelkern
Faktisch erfährt der Leser wenig Neues über die Schriftstellerin Herta Müller, deren Biografie alle Medien durchwanderte, seit sie 2008 den Literaturnobelpreis erhielt. Die Annäherung an die Person Herta Müller, die sich den Fragen ihrer Interviewpartnerin stellen musste, ist das Mehr, das diese Gesprächsaufzeichnung bietet. Dabei wird keinesfalls Voyeurismus bedient, vielmehr sensibel dort in Lebensphasen nachgehakt, wo Verständnis für das literarische Werk der Schriftstellerin gefördert werden kann. Herta Müller erzählt über ihre Kindheit im rumänischen Banat, das Leben in der Ceausescu-Diktatur, die bedrohliche Überwachung durch den Geheimdienst Securitate und die Auswanderung in den Westen in den Achtzigerjahren bis hin zu ihren literarischen Erfolgen. Dabei geht Angelika Klammer sehr zurückhaltend und lediglich impulsgebend vor, mit viel Raum für die Antwort, die immer wieder die Erzählerin in der Person Herta Müller durchscheinen lässt. Familie, Freunde und die Lebensumstände werden plastisch. Stil und Sprache machen die Autorin hörbar, und so bleibt das Gefühl, Herta Müller nach der Lektüre ein großes Stück nähergekommen zu sein. Das Gespräch der Frauen liest sich leicht und schnell, bleibt dabei aber den Inhalten gegenüber immer sehr anspruchsvoll. Gewinnbringend.
Christine Vornehm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Mein Vaterland war ein Apfelkern
Herta Müller
Hanser (2014)
238 S.
fest geb.