Der Tag, als meine Frau einen Mann fand
Rasmus und Chloe sind ein Paar, beide Mitte Vierzig und seit zwanzig Jahren miteinander verheiratet. Da macht sich Langeweile breit. In wechselnden Monologen beäugen sie sich gegenseitig und nehmen altersbedingte Veränderungen wahr. Dennoch gesteht sich Chloe ein: "Wir haben den Grad an Symbiose erreicht, wo man sich verloren fühlt, wenn der andere nicht da ist" (S. 40). Das Paar verbringt einige Wochen an einem unbestimmten Ort am Meer in den Tropen. Rasmus ist Theaterregisseur und hat sich hehre Ziele gesetzt: Er will Goethe auf die staubigen Straßen bringen und "ungefilterten Zugang zu wahren Gefühlen" (S. 50) haben. Dafür arbeitet er mit tumben, verständnislosen Jugendlichen, die nur wegen des Bieres danach kommen. Chloe begleitet das Geschehen eher gelangweilt, bis ein gemeinsamer Massagebesuch ihre Lust befeuert und sie danach nicht von dem rothaarigen Benny lassen kann. - In den Kürzestkapiteln aus wechselnder Perspektive üben die beiden auch beißende Gesellschaftskritik, z. B an den gesättigten mitteleuropäischen Touristen, die sich theoretisch über die Ungerechtigkeiten in der Welt aufregen, dann aber nach Personal rufen, um nicht von den ankommenden "Boat People" belästigt zu werden. Hier ist die Spiegel-Online-Kolumnistin Sibylle Berg voll in ihrem Element. - Ein direkter, sarkastischer, mit anzüglichen Bemerkungen und Beschreibungen von Sex gesättigter Roman über die Midlifecrisis eines Paares - nicht unbedingt das, was man in einer KÖB suchen oder vermissen würde.
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.
Der Tag, als meine Frau einen Mann fand
Sibylle Berg
Hanser (2015)
253 S.
fest geb.