Haus der Namen

Agamemnon, der oberste Heerführer der Griechen, gibt der Forderung seiner Soldaten nach - er muss ein Opfer darbringen, damit die Götter endlich günstigen Wind bringen für den Aufbruch in den Krieg. So wird Iphigenie, die ältere Tochter Agamemnons Haus der Namen getötet. Die Mutter Klytaimnestra und der kleine Bruder Orest werden Zeuge der Tat und dauerhaft traumatisiert. Nach der Rückkehr Agamemnons wird er von seiner Frau aus Rachsucht getötet. Im Palast nimmt eine ursprünglich gefangene Geisel, Aigisthos, bald den Platz Agamemnons ein; Klytaimnestra wird mehr und mehr von ihm abhängig, sie lassen Orest entführen und jahrelang gefangen halten. Doch irgendwann gelingt Orest die Flucht, das Drama weitet sich aus; Orest tötet seine Mutter. - Das Grundgerüst der alten griechischen Sage bleibt bestehen. Der selten blutrünstige Mythos wird gekonnt neu interpretiert. Der Autor lässt Klytaimnestra und Elektra in diesem Familiendrama selbst erzählen, die Geschichte von Orest wird geschildert. Das stellt ihn in eine größere Distanz zum Geschehen als es bei Mutter und Schwester der Fall ist. Der Autor hat sich nicht zum ersten Mal der Neuinterpretierung eines alten Stoffes angenommen. Beeindruckend ist die eindringliche, oft poetische Sprache. Trotz der gewaltvollen Abläufe ist immer eine Zurückhaltung in den Schilderungen erkennbar. Eine ganz und gar ungewöhnliche Erzählung, die auch für literarisch eher ungeübte Leser unangestrengt lesbar ist. Bestens empfohlen.

Erwin Wieser

Erwin Wieser

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Haus der Namen

Haus der Namen

Colm Tóibin ; aus dem Englischen von Giovanni Bandini [und ein weiterer]
Carl Hanser Verlag (2020)

266 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 944538
ISBN 978-3-446-26181-5
9783446261815
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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