Eine Seuche in der Stadt

Als die Gesichtsmaske des russischen Wissenschaftlers Rudolf Iwanowitsch Mayer etwas verrutscht, infiziert sich dieser unbemerkt mit einem hochinfektiösen Stamm des Lungenpestvirus. Die ersten Symptome zeigen sich erst, als er nach einer langen Zugreise Eine Seuche in der Stadt in Moskau angekommen ist und dort vor dem Kollegium des Volkskommissariats für Gesundheit über den Stand seiner Arbeiten berichtet hat. Mit seiner Einweisung ins Krankenhaus wird die politische Führung alarmiert, auf deren Anweisung der Geheimdienst unverzüglich mit der Identifizierung und Isolierung der Kontaktpersonen Mayers beginnt. Das autoritäre Vorgehen der Sicherheitskräfte erfüllt zwar das Ziel, die Betroffenen schnell unter Quarantäne zu stellen, verängstigt deren Familien dabei aber maßlos - schließlich sieht man im stalinistischen Regime Angehörige, die nachts ohne Angabe von Gründen abgeführt werden, oftmals nicht wieder. - Der Roman beruht auf einer wahren Begebenheit, die damals kaum bekannt war, und beleuchtet in schneller Abfolge eine Vielzahl von Einzelschicksalen rund um den Ausbruch. Im Nachwort erläutert die Autorin, den Text bereits 1978 verfasst und ihn im Rahmen der aktuellen Pandemie wiederentdeckt zu haben. Zwar stelle die schnelle Eindämmung der Lungenpest eine der vermutlich einzigen humanitär dienlichen Handlungen des damaligen Geheimdienstes dar; der Ausbruch sei aber gerade auch vor dem Hintergrund der "politischen Pest" jener Zeit zu lesen. Hochaktuell, breit zu empfehlen.

Marlene Knörr

Marlene Knörr

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Eine Seuche in der Stadt

Eine Seuche in der Stadt

Ljudmila Ulitzkaja ; aus dem Russischen von Ganna-Maria Braungardt
Carl Hanser Verlag (2021)

110 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 603831
ISBN 978-3-446-26966-8
9783446269668
ca. 16,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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