Erdogan
Flüchtlingskrise, Pressefreiheit, Jan Böhmermann und jüngst der gescheiterte Putsch der Armee: All diese Schlagworte verbindet man derzeit mit dem Staatspräsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, und die wenigsten dieser Verknüpfungen sind positiv. Die Journalistin Çigdem Akyol bringt also zur rechten Zeit eine Biografie des umstrittenen Politikers auf den Markt. Dabei schildert sie sehr schlüssig den Aufstieg eines Jungen aus dem Armenviertel Istanbuls zum einflussreichsten Staatsmann der Türkei seit Mustafa Kemal Atatürk. Dem Leser wird vor Augen geführt, wie aus einem kleinen Imam-Schüler der Bürgermeister Istanbuls wurde und aus dem einstigen Reformer der Türkei ein Autokrat, der Medien gleichschaltet und repressiv gegen das eigene Volk vorgeht. Als Triebfeder dieses Aufstiegs macht Akyol einen unbedingten Willen zur Macht aus. Weniger Ideale oder Ziele identifiziert sie als Antrieb des türkischen Präsidenten als dessen persönlichen Ehrgeiz. Dies belegt sie bereits auf den ersten Seiten des Buches. Mit Blick auf den Umgang mit seinen Widersachern oder kritischen Pressestimmen ist diese Erklärung mehr als schlüssig. Auch der Vergleich mit dem Türkeigründer Atatürk erscheint für die Argumentationslinie passend. So bietet die Autorin den Leser/innen einen guten Einblick in das Leben eines Mannes, der die Politik in Europa derzeit in besonderem Maße beeinflusst. Für alle Bestände zu empfehlen.
Sebastian Heuft
rezensiert für den Borromäusverein.
Erdogan
Çigdem Akyol
Herder (2016)
383 S. : Ill.
fest geb.