Ich will, dass du bist
Es gibt Autoren, auf deren neue Bücher man nicht nur gespannt, sondern geradezu sehnsüchtig wartet. Der tschechische Theologe Tomás Halík hat durch seine bisherigen Veröffentlichungen solche Erwartungen geweckt. Jedes neue Buch hat diese Erwartungen
nicht nur erfüllt, sondern ist sogar noch weit darüber hinausgegangen. Das gilt auch für sein neuestes Buch über die Liebe. Dabei geht es ihm weniger um das romantische Gefühl. Liebe im christlichen Sinne bedeute vielmehr eine Selbstüberschreitung in so radikalem Sinne, dass man bereit ist, sich selbst für den Anderen zu vergessen. Wie kann diese Liebe konkret aussehen in einer Zeit, in der Gott meist als ein ferner, verborgener Gott empfunden wird? Zum einen dadurch, dass man Liebe richtig versteht. Gott zu lieben heißt, so Halík, ihm sein Gottsein zuzugestehen und sich dankbar darüber zu freuen, dass Gott im Respekt vor unserer Freiheit auf unsere liebende Antwort wartet, ohne sie vorschnell erzwingen zu wollen. Zum anderen bietet Gott uns in der Liebe zum Nächsten einen weiteren, sehr konkreten Weg an, ihn zu lieben. Die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten sind nach Halík eigentlich nicht zwei Gebote, sondern ein und dasselbe. Jesus sagt einerseits zwar sehr wohl, dass er selbst der Weg und die Wahrheit, die einzige Türe zum Vater sei und dass niemand zum Vater komme, außer durch ihn. Aber dies darf gerade nicht als eine Verengung verstanden werden, die andere Religionen und nicht religiöse Menschen davon ausschlösse, zu Gott zu gelangen. Ganz im Gegenteil! Dadurch, dass Jesus ebenfalls sagt, alles was wir dem geringsten seiner Brüder tun würden, das täten wir für ihn, weitet er gerade die Tür in der größtmöglichen Weise und wir erleben in jedem Bedürftigen Jesus selbst als Tür zum Vater, ohne die Einzigartigkeit Jesu zu verleugnen. Die Tiefe der Überlegungen und der Reichtum der spirituellen Anregungen dieses Buches können hier nicht annähernd ausgedrückt werden. Umso mehr muss man zur Lektüre dieses Buches aufrufen, das tatsächlich das von Halíks tschechischem Landsmann Franz Kafka geforderte Kriterium zu erfüllen vermag, "die Axt für das gefrorene Meer in uns" zu sein.

Ich will, dass du bist
Tomás Halík
Herder (2015)
286 S.
fest geb.