"Ich trau dem Frieden nicht"

Diese Tagebücher des Genealogen und ehemaligen Gutsherrn Werner von Kieckebusch stellen ein wichtiges Dokument der unmittelbaren Nachkriegszeit in Potsdam bzw. Berlin dar. Die ohne Schnörkel und Selbstmitleid geschriebenen Aufzeichnungen, die den "Ich trau dem Frieden nicht" Zeitraum von April 1945 bis Silvester 1946 umfassen, richtet Kieckebusch an seinen jüngeren Sohn Burkard (geb.1926), der seit April 1945 vermisst ist (und dessen Schicksal ungeklärt bleibt). Die ständige Sorge um Burkard - der ältere Sohn Hubertus ist in Russland gefallen - und die Hoffnung auf seine Heimkehr durchziehen die gesamten Einträge und lassen die Leser/-innen die Tragik von Ungewissheit und enttäuschenden Nachforschungen intensiv miterleben. Unter dieser Vorgabe hält Kieckebusch die täglichen Ereignisse vor Ort fest, schildert die letzten Kriegstage und nachfolgenden Monate mit Erschießungen, Verschleppungen, Vergewaltigungen, Selbstmorden, Plünderungen sowie einer sich vehement zuspitzenden Versorgungslage bis hin zur Etablierung und Festigung der sowjetischen Besatzungsherrschaft mit immer stärker um sich greifenden diktatorischen Maßnahmen. Dass er dieser Entwicklung, dem sog. Frieden nach dem Krieg mit dem Übergang der Nazi-Diktatur in die SED-Diktatur, nicht traut, machen seine Erläuterungen nur allzu verständlich. Doch er verliert sich nicht nur in düsteren Erfahrungen und sorgenvollen Gedanken, er erzählt auch trocken und humorvoll von fantasievoller Lebensmittelbeschaffung, vom hautnahen, nicht immer reibungslosen Miteinander bzw. Nebeneinander von Besatzern und Einheimischen sowie von Hilfsbereitschaft und Verlässlichkeit. - Informative, aufrüttelnde, gut zu lesende Zeitgeschichte! Allen Büchereien wärmstens zu empfehlen!

Inge Hagen

Inge Hagen

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

"Ich trau dem Frieden nicht"

"Ich trau dem Frieden nicht"

Werner ¬von¬ Kieckebusch
Herder (2020)

335 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 601225
ISBN 978-3-451-38551-3
9783451385513
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Ge
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