Vom Vorurteil zur Gewalt
In diesem Buch fächert der Berliner Autor, ein renommierter Zeithistoriker und Antisemitismusforscher, die Ergebnisse seiner jahrzehntelangen Forschungen und Untersuchungen auf. Vorurteile haben für menschliche Gemeinschaften entlastende Wirkungen, da sie das eigene Selbstbewusstsein stärken und das Negative auf andere abwälzen. Die Mehrheitsgesellschaft stigmatisiert so einzelne Gruppen und grenzt diese aufgrund religiöser, kultureller und vermeintlicher habitueller Unterschiede aus: Juden, Sinti und Roma, Armenier, Kurden, Alawiten, Jeziden und Muslime sind hier z.B. zu nennen. Stereotype Vorurteile sind Vorstufen zu verbaler und physischer Gewalt, die sich von vermeintlichen "Einzeltaten" über Pogrome, Völkermorde bis hin zum Holocaust entladen können. Das Thema ist in allen Kulturen und zu allen Zeiten virulent und aktuell: Benz vertritt u.a. die Auffassung, dass in unserer Gesellschaft gegen Muslime heute vergleichbare Marginalisierungs- und Ausgrenzungspraktiken angewendet werden wie gegen Juden im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert. Ein wichtiges, mit vielen Belegen und Beispielen aus verschiedenen Ländern und Zeiten bis in die jüngste Gegenwart (Halle und Hanau) unterfüttertes Sachbuch, das eine deutliche Sprache spricht. Auch wenn man in den kenntnisreichen Darstellungen gelegentlich den roten Faden zu verlieren glaubt, ein Titel, dem man in KÖBs nur weiteste Verbreitung wünschen kann.
Siegfried Schmidt
rezensiert für den Borromäusverein.
Vom Vorurteil zur Gewalt
Wolfgang Benz
Herder (2020)
479 Seiten
fest geb.