Ein Versteck unter Feinden
Als Roxane van Iperen 2012 mit ihrer Familie in eine Villa östlich von Amsterdam, das "Hohe Nest", zieht, ahnt sie nicht, auf welch historisch bedeutendem Boden sie sich befindet. Bei Renovierungsarbeiten stößt man auf Hohlräume im Holzboden und hinter den Wandverkleidungen, die auf versteckte Juden während der NS-Besetzung hinweisen. Durch akribische Recherche offenbart sich der Autorin eine bisher unbekannte Geschichte über den selbstlosen Einsatz der jüdischen Schwestern Lien und Janny Brilleslijper, die eine wichtige Rolle im Widerstand gegen die Nationalsozialisten spielen und in dem von ihnen gemieteten "Hohen Nest" Familienmitglieder sowie untergetauchte jüdische Mitbürger aufnehmen, ihnen trotz ständiger Angst ein relativ normales Leben ermöglichen und so einige retten können. Durch Denunziation entdeckt kommen fast alle Bewohner in das Durchgangslager Westerbork - erstes Zusammentreffen der Schwestern mit Anne Frank und ihrer Familie -, von wo aus sie nach Auschwitz deportiert werden. Hier verlieren sich die Spuren der meisten, was letztlich ihren Tod bedeutet. Mit dieser Schilderung, die sachlich historische Fakten beschreibt, aber auch deutlich macht, dass trotz Egoismus, Menschenverachtung, Zynismus und Brutalität Menschlichkeit, Freundschaft, Verantwortung, Vertrauen und Liebe möglich sind und Wirkung zeigen, gelingt der Autorin ein packend erzähltes (Geschichts)-Buch, das betroffen macht und berührt.
Inge Hagen
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Ein Versteck unter Feinden
Roxane van Iperen ; aus dem Niederländischen von Stefan Wieczorek
Hoffmann und Campe (2020)
398 Seiten
fest geb.