Alles ist relativ und anything goes

Wer von dem jungen englischen Autor einen chronologisch-historischen Überblick über die Ereignisse im 20. Jh. im traditionellen Sinne erwartet, wird enttäuscht. Die wahlweise im lockeren Plauderton oder auch in essayartiger Form vorgetragene Analyse Alles ist relativ und anything goes ist sehr stark orientiert an naturwissenschaftlich-technischen Leistungen, die in völlig ungewohnter Weise mit politischen, geistesgeschichtlich-kulturellen, künstlerischen und alltagsgeschichtlichen Phänomenen verknüpft werden. Am Anfang stehen Einstein und seine Relativitätstheorie, die der Verfasser auf sehr eingängige Weise anschaulich macht. Wie die Relativitätstheorie und später die Quantenmechanik das bestehende physikalische Weltbild erschütterten, ist nach Ansicht des Autors nur ein Symptom dafür, dass die Menschen im 20. Jh. ihr Zentrum verloren haben. Alte Hierarchien wurden obsolet, alte Gewissheiten kamen abhanden und machten einem moralischen und geistigen Relativismus Platz. Schrankenloser Individualismus prägte fortan die Gesellschaft, jedem war erlaubt zu tun, was ihm gefiel, gipfelnd in einer Kultur der Postmoderne oder auch in schrankenlosem Nihilismus und Materialismus. Die fünfzehn Einzelkapitel, die wichtige Phänomene des vergangenen Jahrhunderts beschreiben (z.B. Moderne Kunst, Krieg, Psychoanalyse, Eroberung des Weltraums, Atomtechnologie, Sex, Jugendkultur, Computer ...) nehmen immer wieder Bezug auf die Grundverfasstheit des modernen Menschen, sein Ort- und Orientierungslosigkeit in einer Welt ohne Gott. - Ein sehr eigenwilliger, völlig ungewohnter, aber ohne Frage amüsanter und interessanter Blick auf das vergangene Jahrhundert.

Alles ist relativ und anything goes

Alles ist relativ und anything goes

John Higgs
Insel-Verl. (2016)

379 S. : zahlr. Ill.
fest geb.

MedienNr.: 817147
ISBN 978-3-458-17663-3
9783458176633
ca. 25,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Ha
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