Die Sopranistin
Georg, ein bankrotter deutscher Friseur, macht sich aus den USA auf den Weg in seine alte Heimat, als sein Onkel und Ziehvater stirbt. Auf dem Flug lernt er Sofia kennen, eine begabte Sängerin, die bei der Eröffnung des neuen Berliner Großflughafens singen soll. Das ist allerdings nicht die einzige Mission, die sie in Deutschland zu erfüllen hat. Da sich jedoch Sofias Komplizen über alle Absprachen hinwegsetzen, läuft der ganze Plan aus dem Ruder und die Botschaft, die Sofia und andere eigentlich öffentlich machen wollten, bleibt ungehört. Selbst Georg, fast mittendrin im Geschehen, bleibt sie verborgen. Wie so oft, sind am Ende Medien und Politiker die einzigen, die Botschaften verbreiten. - Jörg Thadeusz zeigt eine Augenblicksaufnahme im Leben moderner Menschen des 21. Jahrhunderts. Seine Charaktere sind so plastisch wie extravagant. Der humorvoll-ironische Einblick, den er gleichzeitig in die Welt der Medien, des Geldes und des schönen Scheins gibt, lässt den fachkundigen Leser trotz des ernsten Themas Schmunzeln. Manche versteckten Seitenhiebe werden dem ein oder anderen eher medienfremden Menschen wahrscheinlich verborgen bleiben. Durch die ungewohnte Erzählweise - vom persönlichen Erleben, über Hintergrundinterviews bis hin zum Zeitungsbericht - malt der Autor ein realitätsnahes, plastisches Bild der modernen Gesellschaft und der in ihr lebenden ebenso seltsamen wie - bis auf ganz wenige Ausnahmen - doch stets irgendwo liebenswerten Typen. Ein vergnügliches Leseabenteuer, das allerdings weitgehend an der Oberfläche bleibt.
Traudl Baumeister
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Sopranistin
Jörg Thadeusz
Kiepenheuer & Witsch (2011)
286 S.
fest geb.