Stalins Kühe
Anorektische Bulimie - die Ess-Brechsucht - bedroht Annas Leben. Aber davon weiß sie noch nichts, denn bis dahin ist es ein langer Weg. Ein Weg, der nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Besetzung Estlands durch die Russen beginnt. Er führt von den
Arbeitslagern Sibiriens, der Radieschencreme Estlands (Außen rot und innen Pazifist) zu Annas Sucht nach einem perfekten Körper in Finnland. Ein Land, das russische Frauen, die mit Finnen verheiratet sind, als Huren abstempelt, Frauen wie ihre Mutter. Sie, die als Ingenieurin ihrem finnischen Vater in dessen Heimat folgt, ihre Herkunft verleugnet und sie doch zur ständigen Grenzgängerin wird. Zerrissen ist die Ehe ihrer Eltern, zerrissen die Vergangenheit und nichts scheint kontrollierbar, nur Annas Körpergewicht und diese Möglichkeit bietet die Ess-Brechsucht. Ein lesenswerter Roman, gestrickt aus der politischen Geschichte Estlands und dem Kampf gegen familiäre Prägungen. - Sofi Oksanen ist selbst halb Finnin halb Estin. Für ihren Roman "Fegefeuer" (BP/mp 11/125) erhielt sie bisher international fünf Literatur-Preise. (Übers.: Angela Plöger)
Daisy Liebau
rezensiert für den Borromäusverein.

Stalins Kühe
Sofi Oksanen
Kiepenheuer & Witsch (2012)
488 S.
fest geb.