Die Toten

"Die Toten" ist Christian Krachts krassester und bislang kühnster Roman. Nach der kolonialismuskritischen Südseefabel "Imperium" (2012) nun eine präfaschistische Moritat aus der Welt des Films, in der es heißt, Kino sei "Krieg mit anderen Mitteln". Die Toten Aber geht es wirklich um die Moral in diesem Buch? Die Grundidee ist, dass ein zupackender Schweizer Filmregisseur im Auftrag der Ufa im Jahr 1932 aus Berlin nach Japan reist, um dort einen "Schauerfilm" zu drehen. Das misslingt ihm dort gründlich, aber am Ende kommt Material für einen mittelprächtigen Dokumentarfilm heraus, in dem auch Charlie Chaplin (der tatsächlich mehrfach in Japan war) und der japanische Kulturfunktionär Amakasu Masahiko vorkommen (eine ebenfalls reale Figur, die manche aus dem Film "Der letzte Kaiser" von 1987 kennen). Der Teppich des Filmgeschäfts, den Kracht für seine Figuren ausrollt, ist zu knallig, als dass man der moralischen Botschaft auf den Leim gehen könnte. "Die Toten" ist großes Kino, ein Buch über Regisseure und Schauspieler an der Schwelle zum Tonfilm, ein ästhetisches Vergnügen, vom Aufbau her mit dem drei Kapiteln Yo-ha-kyuam No-Theater orientiert, ein Feuerwerk an verrückten Einfällen (Fritz Lang reist mit der Kritikerin Lotte Eisner und dem Theoretiker Kracauer im Nachtzug nach Paris, "drei Deutsche ohne Deutschland"). Ein vielgelenkiger Einfall macht ein zapplig-zauberhaftes Buch: sehr empfehlenswert.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Die Toten

Die Toten

Christian Kracht
Kiepenheuer & Witsch (2016)

211 S.
fest geb.

MedienNr.: 587438
ISBN 978-3-462-04554-3
9783462045543
ca. 20,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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