Schwere Knochen
Ferdinand Krutzler wog bereits bei seiner Geburt mehr als sechs Kilo und sollte diesen Größen- und Gewichtsvorteil ein Leben lang behalten. Einen Vorteil, der dem Protagonisten in seinem Leben als Kapo im Konzentrationslager oder als Krimineller in Wien immer wieder zugutegekommen ist und seinen Charakter maßgeblich formte. Gemeinsam gründete er mit drei Freunden die "Erdberger Spedition", die sich auf das "evakuieren" (ausrauben) von Wohnungen wohlhabender Wiener am Vorabend des Zweiten Weltkrieges spezialisiert hatte. Weil sie auch vor einer Wohnung eines stadtbekannten Nazis nicht haltmachten, wurden sie in den Konzentrationslagern Dachau und Mauthausen inhaftiert. In den sieben Jahren Haft wurden aus den Kleinkriminellen Schwerverbrecher, die nach dem Krieg, wieder vereint, die Wiener Unterwelt beherrschen sollten. - Das Verbrecher-Epos von David Schalko hangelt sich mit viel schwarzem Humor entlang wahrer Begebenheiten, die mit Fiktionen aufgemischt wurden. Dabei gelingt es dem Autor, ein Bild Wiens unter dem Einfluss der Nationalsozialisten zu zeichnen, das geprägt ist von Brutalität, sozialer Kälte und Orientierungslosigkeit. Trotz der Ernsthaftigkeit des Themas ist "Schwere Knochen" ein unterhaltsamer, wenn auch grotesker Roman, der nie langweilig wird. Die Gegensätze zwischen Gewalt und Humor spiegeln ein Selbstbild Österreichs in der Nachkriegszeit wider, das sich sowohl als Täter als auch als Opfer des Nationalsozialismus sieht. Für Fans des schwarzen Humors ein sehr zu empfehlendes Buch.
Sebastian Heuft
rezensiert für den Borromäusverein.
Schwere Knochen
David Schalko
Kiepenheuer & Witsch (2018)
573 S.
fest geb.