Die Fahne der Wünsche

Der 16-jährige Ambrosio wird der "Goldene" genannt, einmal weil er in den achtziger Jahren der beste Radrennfahrer von Crokutanien war, einem fiktiven europäischen Staat, aber auch weil er eine Reihe von Goldzähnen hat. Der Autor, 1983 in Sarajevo Die Fahne der Wünsche geboren, erzählt in dieser quasi rückwärtsgewandten Dystopie am Beispiel seines Protagonisten von den Verhältnissen in einer autoritären, sich in Auflösung befindenden Diktatur. In der "Heldischen Revolution" hatte sich unter dem "Marschall-Vater" eine Ein-Parteien-Regierung etabliert, die nun auf grausamste Weise und völlig willkürlich das Volk unterdrückt. So wird zum Beispiel von einem Tag auf den anderen mit einer lächerlichen Begründung das Flipperspiel verboten. Wer sich an das Verbot nicht hält, muss mit Prügeln der "Mäntel", ja sogar mit der Todesstrafe rechnen. Ambrosio verliert auf diese Weise seine Zähne, auch weil sich sein Trainer ins Ausland abgesetzt hat, und ist fortan bereit, als Spitzel mit dem Regime zu kooperieren. Gewaltbereite mopedfahrende Jugendliche, die "Mobilen", erheben sich und es kommt zu einer mörderischen Schlacht. Im Hintergrund agiert eine unantastbare, einflussreiche und hedonistische Adelsclique, mit deren Hilfe Ambrosio schließlich ins Ausland fliehen kann. So endet der Roman für Ambrosio zwar glimpflich - immerhin muss er seine gemütskranke Mutter ihrem Schicksal überlassen - der Leser bleibt jedoch mit gemischten Gefühlen zurück angesichts der diffusen und oft geradezu realitätsfernen Darstellung der Diktatur.

Helmer Passon

Helmer Passon

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Die Fahne der Wünsche

Die Fahne der Wünsche

Tijan Sila
Kiepenheuer & Witsch (2018)

308 S.
fest geb.

MedienNr.: 594446
ISBN 978-3-462-05134-6
9783462051346
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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