Otto

Timna sieht sich in der letzten Lebensphase in der Verantwortung für ihren Vater, einen Patriarch jüdischer Herkunft, der auf ein bewegtes Leben zurückblicken kann. Von schwerer Krankheit gezeichnet und geistig nicht mehr ganz zurechnungsfähig Otto wird Otto aus dem Krankenhaus entlassen und muss gepflegt werden. Timna organisiert zusammen mit ihrer jüngeren Schwester eine 24-Stunden-Hilfe, die für den Vater reine Geldverschwendung ist. Die Töchter sollen nun da sein, so wie der Vater auch für sie dagewesen zu sein behauptet. Ausgehend von dieser Exposition lässt Timna episodenhaft das vergangene Familienleben Revue passieren. Unbequeme Urlaube in schäbigen Wohnwagen, Umgang mit der alkoholkranken Mutter, lange Gespräche mit dem Vater, der die Greuel, die seinem Volk widerfahren sind, nur bruchstückhaft erzählt und die Geschichte vor allem in seinem Tun und Denken in sich trägt, Begegnungen im Heiligen Land - das alles verwebt sich zur Lebensgeschichte der Ich-Erzählerin. Dass es schließlich die väterlichen Wurzeln sind, die ihr Sein nähren, formen und herausfordern, wird auf humorvolle Weise und einer geistreichen Reise bewusst. Mit klarem Blick, liebevoller Ablehnung und selbst gedeuteter Nichtigkeit erzählt Timna so ihre Familiengeschichte und schafft Projektionsfläche für zahlreiche Biografien. Geistreiche Unterhaltung.

Christine Vornehm

Christine Vornehm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Otto

Otto

Dana von Suffrin
Kiepenheuer & Witsch (2019)

228 S.
fest geb.

MedienNr.: 598124
ISBN 978-3-462-05257-2
9783462052572
ca. 20,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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