Bettyville
Der Autor, Einzelkind und Außenseiter, erzählt in seinem autobiografischen Bericht liebevoll von den Eigenarten, Schrulligkeiten und dem starken Willen seiner Mutter Betty und erinnert sich zugleich an seine Kindheit und Jugend in Missouri mit dieser schönen, unkonventionellen und temperamentvollen Frau. Betty ist neunzig und misstraut ihrem Sohn George, denn sie fürchtet, er könne ihre Unabhängigkeit einschränken. Sie hasst es, plötzlich nicht mehr alleine zurechtzukommen. Natürlich lehnt sie es ab, in "ein Heim mit lauter alten Leuten" zu gehen. George ist schon Monate bei seiner Mutter, hat seinen Job verloren und versucht, freiberuflich weiter zu arbeiten. Man hält ihn für verrückt, weil er sich eine Auszeit nimmt, um seiner Mutter zu helfen. Beide sprechen nicht über "ihre Geheimnisse", auch nicht über Georges Homosexualität. Als Kind hat George immer gedacht, dass mit ihm "etwas nicht stimmt" und seine Eltern dachten, es sei ihre Schuld. Sehr einfühlsam analysiert George seine Gefühle als Kind und Jugendlicher, das Verhalten der Umgebung und später die beginnende Ausbreitung von Aids und seine Drogenabhängigkeit. Von seinem früh gestorbenen Vater weiß er, dass er den Sohn geliebt hat, aber "nicht das, was aus ihm geworden ist". Obwohl Betty "nicht mehr sie selbst" ist, kann George den Gedanken nicht ertragen, sie aus ihrem vertrauten Haus zu reißen. Er wird wütend, wenn er bemerkt, dass sie "weniger ist, als sie früher war". Als nach ihrem 91. Geburtstag Lymphdrüsenkrebs festgestellt wird, entscheidet sie sich zu kämpfen; ihr Lebenswille ist immer noch stark. Voller Liebe und auch Humor beschreibt der Autor die zunehmende Verwirrung und Verletzlichkeit der Mutter, und auch die zunehmende Nähe von Mutter und Sohn. Ein berührender Roman, für alle Büchereien geeignet. (Übers.: Conny Lösch)
Ileana Beckmann
rezensiert für den Borromäusverein.
Bettyville
George Hodgman
List (2018)
351 S.
fest geb.