Jesus

Unter den Schriften zum christlichen Glauben, die nach dem Konzil erschienen sind, haben die Bücher Hans Küngs weite Verbreitung gefunden. Das verdanken sie seiner Fähigkeit, schwierige theologische und exegetische Sachverhalte einfach und klar darzustellen und ins Gespräch mit der Welt zu bringen. Hier ist besonders sein "Christ sein" (1974) zu nennen, das in 15 Sprachen übersetzt wurde. Die Abschnitte, die sich darin mit der Person und dem Leben Jesu, auch mit seiner Bedeutung für die christliche Existenz befassten, hat Küng in seinem Buch "Jesus" fast unverändert übernommen, wenn man davon absieht, dass er einige Überschriften verdeutlicht und die damals beigegebenen wissenschaftlichen, vor allem exegetischen Kommentare, Anmerkungen und Zitate weggelassen hat. Sie wären heute auch kaum mehr aktuell gewesen und hätten eigentlich auf den neuesten Stand gebracht werden müssen. Hier liegt also eine Publikation vor, die fast vier Jahrzehnte alt ist und die neuere theologische Forschung nicht mehr berücksichtigt. In dem neu hinzugekommenen Abschnitt "Was meint 'Gottes Sohn'?" fasst Küng noch einmal seine (in den siebziger Jahren heftig diskutierte) Position zur Frage zusammen, wie viel Gott und wie viel Mensch Jesus war. Küngs Jesus bleibt auch in der Neuausgabe auf der Ebene des Menschseins, was nach katholischem Verständnis defizitär ist. Im Vergleich mit den beiden Jesus-Büchern des Papstes wird dieses Defizit besonders deutlich. Benedikts Jesus, der zur Meditation und vor allem zur Nachfolge einlädt, trägt schon im irdischen Leben, wie es die Evangelien beschreiben, die göttlichen Züge, die das Konzil von Nizäa 325 und weitere Konzilien deutlich herausgestellt haben. Kompetente Leser/innen können hier gewiss interessante Vergleiche anstellen. Die am unverkürzten christologischen Glauben festhaltenden Leser werden weiterhin ihre Bedenken haben.