Wir zählen unsere Tage nicht
Radioreporterin Isa moderierte lange Zeit eine Sendung namens "Klick", in der es um Wendepunkte im Leben ging. Nun soll es eine große Retrospektive ihrer Arbeit geben; ihr Abschied vom Mikrofon steht bevor. Das nimmt sie sehr wohl wahr, aber nicht, dass ihre Ehe mit dem Bildhauer Severin ebenfalls vor einem Wendepunkt steht. Auch er kann sich nicht vorstellen, dass er seine Werkstatt in einer Kiesgrube verlassen wird oder dass er seine Beziehung zu Isa auf den Prüfstand stellen muss. Auch das Leben der erwachsenen Kinder wirkt ruhig. Aber ganz langsam bröckelt es da und dort; Fassaden bekommen Risse und alle vier müssen sich der Tatsache stellen, dass es keinen Status Quo im Leben gibt, dass es ab und zu "klick" macht. Und sie tun es. - Der Autor hat die Geschichte um den unerwarteten Wendepunkt zu Beginn des Alters sehr dicht aufgebaut. Obwohl er das Wort "klick" nie schreibt, spürt der Leser sehr schnell, wo es gefallen sein könnte. Immer ganz, ganz leise, bis sich die scheinbare Lebensidylle der Eltern wie der Tochter mit Mann und Kind pulverisiert. Das Buch endet sehr positiv, denn alle Beteiligten finden einen neuen, in ihnen selbst verborgenen Lebenssinn.
Pauline Lindner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Wir zählen unsere Tage nicht
Silvio Blatter
Piper (2015)
290 S.
fest geb.
Auszeichnung: Roman des Monats