Am Himmel kein Licht
Vater und Großvater werden ermordet. Die Mutter bangt um das Leben ihrer beiden ältesten Söhne und schickt sie auf den Weg nach Europa, um sie vor dem blutigen Regime der Taliban zu retten. Ein ganzes Jahr dauert Gulwalis Flucht, obwohl er schon nach einigen Wochen jenseits des Bosporus ankommen sollte. Aus dem "fundamentalistischen Jungen vom Land", so bezeichnet sich der Autor rückblickend, wird zwangsläufig ein Mann, der trotz seiner Jugend andere Flüchtlinge motivieren kann. Es sind nicht die geschilderten Strapazen und Erniedrigungen, die aufhorchen lassen. Empathie weckt beim Lesen, wie sich der Junge durch Gebet und Gottvertrauen wieder aufrichtet, aber auch wie er mit der sicher wohlmeinenden Entscheidung seiner geliebten Mutter hadert. Bemerkenswert ist ebenfalls, wie sich das Weltbild in den Monaten der Flucht wandelt. Vom frommen Kind einer traditionellen Pashtunen-Familie, dem das Stammesgesetz das höchste Gut ist, verändert er sich zu einem jungen Mann, dem fremde Lebensweisen zwar nicht vertraut sind, an denen er aber keinen Anstoß mehr nimmt. Mit der Distanz seiner Jahre und seines Studiums der Politikwissenschaften in Großbritannien weist er mehrfach auf diesen Umstand hin. - Das hochaktuelle Buch ist gerade wegen der sich wandelnden Blickwinkel lesenswert.
Pauline Lindner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Am Himmel kein Licht
Gulwali Passarlay mit Nadene Ghouri
Piper (2016)
414 S. : Ill. (farb.), Kt.
fest geb.