Wer dann noch lachen kann
"Natürlich sind wir inzwischen digitalisiert, und möglicherweise weiß Ihr Kühlschrank, was Ihnen fehlt. (...) Es hilft aber nichts: Es gibt nur einen einzigen Menschen, der für Sie denken und auf Sie aufpassen kann. Das sind Sie." Diese Sätze stellt Birgit Vanderbeke an den Anfang ihrer Erzählung, in der ein Mädchen seine Geschichte rückblickend erzählt. Nur zwischen den Zeilen erfährt der Leser, dass die Ich-Erzählerin Opfer eines zeitweise zwar liebevollen, doch gewalttätigen Vaters und einer sich betäubenden Mutter gewesen ist. Die tablettensüchtige Mutter versucht, das Kind ebenfalls pharmazeutisch ruhig zu halten. Doch es findet Wege, sich dem heimlich zu entziehen und schafft sich ein Erwachsenen-Ich, das Mut zuspricht, auf die Zukunft vertröstet und hilft, sich nicht brechen zu lassen. Es ist dann eher ein körperliches Leiden, das von der erlittenen Kindheit zeugt und die Erzählerin Ärzte aufsuchen lässt, wo sie auf ihr als Kind personifiziertes Erwachsenen-Ich trifft und lernt, klar zu sehen und das Verdrängte Raum gewinnen zu lassen, um es schließlich zu besiegen. Wenn man nicht mehr lachen kann, muss man auf sich aufpassen - dieser Appell wird noch lange nachklingen. - Vanderbeke findet für ihre Erzählung eine Sprache, die den Leser glauben lässt, die Ich-Erzählerin säße am Tisch und erzähle aus ihrem Leben und von der merkwürdigen Begebenheit, wie sie als Erwachsene auf ihre Kindheit gestoßen wird. Ein sehr kluges Buch. Äußerst empfehlenswert.
Christine Vornehm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Wer dann noch lachen kann
Birgit Vanderbeke
Piper (2017)
158 S.
fest geb.