Ástas Geschichte
Da ist ein "Ich", das erzählen will: Vom Leben einer Frau, von Ásta, die Anfang der 50er Jahre in Reykjavik geboren wird. Es weiß nicht, wie man überhaupt von einem Menschen erzählen soll, "ohne auf das ihn umgebende Leben einzugehen, die Atmosphäre, die den Himmel oben hält ... ohne sich zu verirren ... - denn wir leben in allen Zeiten". Und genau so liest sich dieser wirklich groß angelegte, vielschichtige Roman. Aus wechselnden Perspektiven und auf verschiedenen zeitlichen Ebenen entfaltet sich nicht nur Ástas Leben, sondern auch das ihrer Eltern. Nach und nach bringt sich auch das schreibende Ich, das wie der Autor selbst ein bekannter isländischer Schriftsteller ist, in die Geschichte ein. Leider wird bis zum Schluss nicht ganz klar, in welcher Beziehung er zu Ásta steht. - Man kann diesen Roman als eine einzige, große, tragische Liebesgeschichte begreifen, überbordend, voller Leidenschaft, Unglück, Selbstzerstörung und so reich an sprachlicher Schönheit, an lebensphilosophischen Gedanken und Einsichten, dass einem wirklich weh ums Herz werden kann. Manches mag dem Leser dann aber doch ein "wenig viel" scheinen, und der jede Form sprengende Aufbau stellt auch eine gewisse Herausforderung dar. Ich persönlich habe mich gefangen nehmen lassen und möchte dieses wirklich außergewöhnlich emotionale, tief gehende Buch, das im Übrigen schon viel positive Beachtung gefunden hat, allen Büchereien unbedingt empfehlen.
Barbara Nüsgen-Schäfer
rezensiert für den Borromäusverein.
Ástas Geschichte
Jón Kalman Stefánsson ; aus dem Isländischen von Karl-Ludwig Wetzig
Piper (2019)
458 Seiten
fest geb.