Der Hochsitz
Zwei Freundinnen, Ulrike und Sanne, beobachten in den drei Wochen Osterferien in ihrem Dorf tatsächlich einen Mord an einem Motorradfahrer. Sie suchen mit zunehmendem Detailwissen die Mördergestalt, den "nächtlichen Geist", Kennzeichen schwarzer Anzug, Umhang, Hut. Kurz vor Auflösung des Falls geschieht ein weiterer Mord auf dem Hochsitz, von dem aus die beiden Mädchen die ganze Welt (das Grenzgebiet zu Luxemburg) sehen und beobachten können. Puzzleteil wird an Puzzleteil gelegt, Spekulationen reihen sich aus verschiedenen Erzählperspektiven aneinander, bis schließlich das Rätsel gelöst ist. Wie nebenbei erzählt Annas von alten Traditionen, vom Klabbern am Gründonnerstag, wenn die Glocken nach Rom fliegen, und schließlich vom Osterfeuer. Aber auch Klein- und Großkriminalität gehören dazu: Schmuggel von Drogen, ein Banküberfall, Handel mit NS-Devotionalen (Hakenkreuze), Versteck im Bunker, Ausgraben von Fliegerbomben. Selbst die "braven" Mädchen klauen manchmal im Dorfladen Süßigkeiten-Bildchen mit Fußballern für ihr selbstgemachtes WM-Album. Da das Sammelheft aber nie voll werden wird, lassen sie im Polizeiposten das Terroristenplakat mitgehen und kleben die ausgeschnittenen Mitglieder der Baader-Meinhof-Bande einfach dazu. - Nach zwei Krimis, die in der ehemaligen DDR spielen (BP/mp 19/898, 20/896), verlegt Annas den Schauplatz in den äußersten Westen Deutschlands, in die bleiernen Jahre der der RAF-Angst. Fazit: Spannend, mitreißend, stimmungsvoll, amüsant, regt die Hirnzellen an.
Berthold Schäffner
rezensiert für den Borromäusverein.
Der Hochsitz
Max Annas
Rowohlt Hundert Augen (2021)
270 Seiten
fest geb.