Ruhige Straße in guter Wohnlage

Die französische Journalistin Pascale Hugues schreibt in ihrem neuesten Werk über ihre auf den ersten Blick relativ bedeutungslose Straße in Berlin Schöneberg. Ein ziemlich banales Thema für ein Buch möchte man meinen; doch schon nach wenigen Seiten wird deutlich, dass es um mehr geht. In Interviews mit ehemaligen zum Teil um die ganze Welt verstreuten Anwohnern und Nachbarn spiegelt sie die Geschichte Deutschlands während der letzten 100 Jahre im Mikrokosmos ihrer Straße wider. In interessanten kleinen Geschichten erfährt man vom Wandel der Baustile, von dramatischen jüdischen Schicksalen während der NS-Zeit oder von Aufsteigern des Wirtschaftswunders; sogar David Bowie und Otto Waalkes finden sich unter den Bewohnern der Straße. Interessant sind die kurzen Geschichten vor allem auch deshalb, weil sie mit viel Empathie und vom Standpunkt einer in Frankreich geborenen und aufgewachsenen Autorin erzählt werden, die mit einem etwas anderen Blick ihre Wahlheimat betrachtet. Die teilweise sehr persönlichen Einblicke in das Leben der Bewohner verpackt Pascale Hugues in einen lebendigen und humorvollen Schreibstil, der Spaß macht zu lesen. Zudem werden die Eindrücke durch eine reiche Bebilderung noch verstärkt.