Kommt, Geister
"...niemand schreibt, der nicht viel gelesen hat." (S. 101) Aber wer selbst viel geschrieben hat, wie der vielfach preisgekrönte Autor ("Die Vermessung der Welt"), liest und versteht auch anders, wird man wohl ergänzen dürfen. Und so eröffnen alle hier versammelten Interpretationen einen ganz ungewohnten Blick auf die vorgestellten Werke. Alle haben Kehlmann nach eigener Aussage mehr oder minder als Schriftsteller geprägt oder als Leser beeindruckt, wie z.B. Jeremias Gotthelfs Novelle "Die schwarze Spinne", die den Jungen nächtelang nicht schlafen ließ. Im Sommer 2014 hat Kehlmann am Gastlehrstuhl für Poetik an der Frankfurter Goethe-Universität fünf umfangreiche, "virtuos durchkomponierte" (Vorwort) Vorlesungen gehalten, die sich alle mit Werken beschäftigen, die auch eine metaphysische Dimension aufweisen, mal als Nebenaspekt wie bei Grimmelshausens "Simplicissimus Teutsch", mal als zentrales Element wie z. B. in der "Schwarzen Spinne" oder in Shakespeares "Macbeth", in Tolkiens "Herr der Ringe" oder auch in den lange vergessenen Romanen eines Leo Perutz. Kehlmann erweist sich in allen Vorlesungen nicht nur als großer Stilist, sondern auch als profunder Kenner, als origineller, sehr persönlich argumentierender Interpret und nicht zuletzt als scharfer Kritiker der lange Jahre geschichtsvergessenen deutschen Nachkriegskultur.
Kommt, Geister
Daniel Kehlmann
Rowohlt (2015)
172 S. : Ill.
fest geb.