Das Leben ist kurz
Fahrräder können sehr eigenwillig sein, besonders wenn sie sich wie ein Pferd aufbäumen, wenn der Weg über ein Schlagloch führt, den selbstvergessen Radelnden regelrecht abwerfen und scheppernd auf dem Asphalt liegenbleiben. Zu dieser Situation und zahlreichen anderen typischen Alltagsmomenten hat sich Martin Mosebach seine Gedanken gemacht. In einer anderen Szene gerät ein Berliner am öden Urlaubsort mit seiner Partnerin in Streit. Er plant, Zeitungsartikel über Nationalstolz, antike Vasen und brillenlose Päpste zu verfassen und ist überzeugt, dass Zeitungen zum Lesen u.a. seiner wortgewandten Texte da sind. Doch seine vom hochtrabenden Gerede entnervte Partnerin hat spontan noch eine andere Idee, als sie sich von umherfliegenden Wespen belästigt fühlt. - Mosebach versammelt in diesem Buch die unterschiedlichsten Menschen in alltäglichen Situationen. Er offenbart sich als scharfer Beobachter und entlarvt mit Humor und Schalk im Nacken Menschen, die sich hinter Masken aus Worten, Gesten und Handlungen verbergen, ohne sie lächerlich zu machen. Seine Momentaufnahmen offenbaren vielmehr, dass er die Menschen als liebenswert empfindet und dass das Leben zu kurz ist, um nicht jeden Augenblick auszukosten. Gern empfohlen.
Birgit Fromme
rezensiert für den Borromäusverein.
Das Leben ist kurz
Martin Mosebach
Rowohlt (2016)
156 S.
fest geb.