Amerika vor Kolumbus
In Europa werden die "Indianer" -vielleicht mit Ausnahme der Azteken, Maya und Inka und ihrer Nachfahren- traditionell als Naturvölker gesehen, die als Jäger und Sammler in Harmonie mit der Natur leben. Mit dieser Vorstellung räumt Charles C. Mann, ein renommierter amerikanischer Wissenschaftsjournalist, gründlich auf. Auf der Basis neuerer Forschungen kommt er zu dem Ergebnis, dass der Kontinent Amerika, viel früher als bisher angenommen, in mehreren Wellen besiedelt und "ein blühendes, ungeheuer vielfältiges Gebiet (wurde), in dem es von Sprachen, Handel und Kulturen wimmelte" (S. 55). Die hoch entwickelten Kulturen mit ihren vielen Millionen Menschen verschwanden nach Kolumbus überall auf dem Kontinent, hinweggerafft vor allem von den eingeschleppten Seuchen (z.B. Pocken). Mit dem Fokus auf der Forschungsdiskussion zeichnet der Autor beispielhaft die Entwicklung verschiedener indianischer Zivilisationen in Nord-, Mittel- und Südamerika nach. Er ist davon überzeugt, dass auch der Regenwald Amazoniens überwiegend kein primärer Urwald (mehr) ist, sondern eine erst nach dem Verschwinden der historischen Indianerkulturen neu entstandene Wildnis.- Das von der amerikanischen Kritik hochgelobte, gut lesbare Werk erschien 2005 und liegt nun erstmals als deutsche Übersetzung in aktualisierter Fassung vor. Es entdeckt das vorkoloniale Amerika neu und wird nicht zuletzt deshalb schon etwas größeren Beständen unbedingt empfohlen.
Johann Book
rezensiert für den Borromäusverein.
Amerika vor Kolumbus
Charles C. Mann
Rowohlt (2016)
719 S. : Ill., Kt.
fest geb.