Blumenberg

Der Philosoph im Roman ist eine merkwürdige Figur, dazu da, um Denken in Geschichten zu verwandeln. Wie das geht, zeigen Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" und Bernhards "Wittgensteins Neffe". Einen eher vagabundierenden Geist der Philosophie Blumenberg hat die 1954 geborene Sibylle Lewitscharoff zu ihrem Romanhelden gemacht: Hans Blumenberg (1920-1996), der neben seinen Hauptwerken über "Weltzeit und Lebenszeit" und die "Arbeit des Mythos" auch eine Sammlung von Reflexionen über den Löwen in der Kulturgeschichte hinterlassen hat (2001 erschienen). Lewitscharoffs "Blumenberg" (der Roman ist auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2011 nominiert) übernimmt die Tugend des Philosophen - der das Denken zu erzählen weiß -, man möchte fast sagen: kongenial. Aber es ist keine Philosophie in Romanform, die hier dem Leser geboten wird, sondern eine poetische Hommage an den Denker und - so Lewitscharoff - eine "moderne Heiligenvita". Denn der Löwe, der mitten in der Nacht gelb und gelassen auf dem Teppich in Blumenbergs Arbeitszimmer in Münster thront, ist kein phänomenologischer Spuk, kein Studentenulk, sondern eine beständige Denkherausforderung und ein wahres Wunder. So kann den Löwen, der den Philosophen in die Vorlesung und sogar im Auto begleitet, nur eine Nonne sehen. Hingegen sind die anderen unfähig, das über ihre Vorstellungskraft Gehende wahrzunehmen. Es sind, wie Blumenberg sagt, tröstungsbedürftige, aber trostlose Menschen. Die Handlung wird erweitert durch Episoden vom Leben und Sterben von Blumenbergs Studenten. Der "katholisch getaufte" Agnostiker, der den Glauben verloren hat, aber nicht "die Liebe zur Kirche", übersteht die Krisen, bis zum überraschenden, metaphysischen Ende. Der Philosoph und sein Wappentier, der Löwe: Ein famoser Grundeinfall, eine in jeder Hinsicht lehrreiche und zugleich auf hohem Niveau unterhaltende Lektüre, allen Beständen empfohlen.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Blumenberg

Blumenberg

Sibylle Lewitscharoff
Suhrkamp (2011)

216 S.
fest geb.

MedienNr.: 350061
ISBN 978-3-518-42244-1
9783518422441
ca. 21,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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