Der Umweg
"Die Frau", deren Namen der Leser erst ganz am Ende erfährt, lässt von einem Tag auf den anderen alles hinter sich: Amsterdam, eine leer gewordene Ehe und die nach einer Affäre mit einem Studenten gefährdete Karriere als Literaturdozentin. Wenige Monate zuvor hat sie im Rahmen einer Fruchtbarkeitsuntersuchung einen Zufallsbefund erhalten. Sie mietet sich in ein kleines Haus in Wales ein. "Wie eine alte Katze, die in Ruhe gelassen werden will" (S. 166) hält sie ihre neue Welt bewusst klein, ohne Beziehungen und Verpflichtungen, und lebt die Tage nach ihrem eigenen Rhythmus. Trotz der stärker werdenden Schmerzen beschäftigt sich Agnes mit kleinen Arbeiten rund ums Haus. Als Bradwen, fast noch ein Junge, ihren Weg kreuzt und bei ihr bleibt, fühlt sie sich von seiner Lebendigkeit angezogen. Trotzdem hält sie ihn auf Abstand, denn ihren letzten Weg will sie alleine gehen. - Gerbrand Bakker ("Juni" BP/mp 10/869, "Oben ist es still" BP/mp 09/98) verdeutlicht mit der kühlen, knappen Sprache die Distanz, die Agnes um sich schafft. Ohne zu urteilen, lässt er Platz für eigene Gedanken über Agnes' eigenwillige Entscheidung. Empfohlen. (Übers.: Andreas Ecke)
Barbara Sckell
rezensiert für den Borromäusverein.
Der Umweg
Gerbrand Bakker
Suhrkamp (2012)
228 S.
fest geb.