Frühe Störung
Mutterromane haben Konjunktur in der Gegenwartsliteratur, Michael Lentz, Thomas Hürlimann, Julia Franck und Peter Wawerzinek haben gute Beispiele geliefert. An die reicht Hans-Ulrich Treichels "Frühe Störung" nur bedingt heran. Der Roman ist das Psychogramm einer ausgewachsenen Mutterstörung. Der Ich-Erzähler, längst ein gestandener Mann, kommt nicht los von dieser Bezugsperson, die seine Lebensroutinen, sein Denken und Handeln bestimmt. Da hilft auch weder ein Indienaufenthalt noch die Psychoanalyse. Allenfalls die kurze Liaison mit Andrea, einer Fotografin, gibt Abstand. Am Ende bleiben Schuldgefühle und Versagensängste, bisweilen aufgehoben durch tragikomische Slapstick-Situationen. Aber das ist zu wenig für einen spannenden oder ergreifenden Roman. Eher enttäuschende Lektüre.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Frühe Störung
Hans-Ulrich Treichel
Suhrkamp (2014)
188 S.
fest geb.