Windzüge

Christian Lehnert hat Bewegung in die 'religiös musikalische' Literatur der Gegenwart gebracht. Seine Gedichte hören wieder auf eine Welt, deren Schöpfer erfahrbar ist in den Dingen. Des Dichters Aufgabe ist es, diese Natur seiner Lebenswelt - in Windzüge der es auch Maschinenparks und Zuggleise gibt - zum Sprechen zu bringen, in "sorgsam" gesetzten Versen, Hexametern, Sonetten und Langgedichten. In seiner Lessingpreisrede betonte Lehnert, seine Gedichte entstünden dort, wo die Sprache versage, wo er "nichts mehr sagen und doch nicht schweigen" könne. Der Dichter wartet aber dabei auf keine Erlösung mehr, er sucht kein Heil, er spürt nicht Verlust oder Gewinn, aber er "überliefert, was geschieht", auf den Spuren der Bibel und der Dichter - von Angelus Silesius bis Hölderlin. Was herauskommt, ist eine poetische Bibel- und Gotteserfahrung, in der es sogar einen "Grund zum Beten" geben kann, weil "sich kein Grund für unser Schweigen fand". Besonders bemerkenswert: die Coda des Bandes mit drei Gedichten, die anhand von Zitaten Luthers ein religiös geprägtes Leben, auch kritisch (z.B. im Blick auf die ihren Sohn "wegen einer einzigen Nuss" stäupende, also schlagende Mutter), in eine poetische Form bringen. Epische Dichtung über eine Schöpfung, die ihren Gottesbezug nicht verloren hat, in einer anrührenden und zugleich hochpoetischen Sprache.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Windzüge

Windzüge

Christian Lehnert
Suhrkamp (2015)

108 S.
fest geb.

MedienNr.: 787485
ISBN 978-3-518-42469-8
9783518424698
ca. 18,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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