Das 6. Sterben
Die Wissenschaftsjournalistin Elizabeth Kolbert nimmt die Leser mit auf eine Erkundungsreise durch die Geschichte des Lebens auf der Erde, von der "Entdeckung" des Artensterbens Ende des 18. Jahrhunderts bis zur modernen Gen-Sequenzierung. Sie nennt
die Gründe für die fünf großen Massenaussterben der Erdgeschichte, beschreibt das Aussterben einzelner Arten und zeichnet Indizienketten nach, die zum Schluss führen: Menschen verändern die Welt - und das nicht erst seit der Moderne. Mit dem Auftauchen des Menschen, dem Beginn des Anthropozäns, änderten sich die "Spielregeln des Lebens" (S. 236) auf der Erde. Menschen verteilen Leben um - über die natürlichen Barrieren hinweg - mit einer Schnelligkeit, die aus erdgeschichtlicher Perspektive lediglich einem "Moment" entspricht. Der Homo sapiens entfaltet damit eine bisher nie dagewesene Wirkkraft auf den Planeten, mit der sehr viele Arten nicht Schritt halten können. Und obwohl der Mensch sich selbst mit seinen Fähigkeiten von den Fesseln der Evolution befreit hat, bleibt er vom bestehenden biologischen und geochemischen System der Erde abhängig. Damit ist er nicht nur Ursache, sondern auch potentielles Opfer des sechsten Massenaussterbens, das längst begonnen hat. - In einer ausgewogenen Mischung schildert Kolbert Fachwissen und ihre persönlichen Erlebnisse beim Besuch von Forschungsstätten auf der ganzen Welt. Sie lässt Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen zu Wort kommen und bietet anschauliche Vergleiche, um die Dimensionen der Veränderungen begreifbar zu machen. Dabei ist ihr Bericht keineswegs oberflächlich oder einseitig. Kolbert versteht es hervorragend, eine Fülle von anspruchsvollen Fachinformationen lebendig, verständlich und einprägsam zu vermitteln. Zu Recht hat sie für dieses Buch 2015 einen Pulitzer-Preis erhalten.
Barbara Sckell
rezensiert für den Borromäusverein.

Das 6. Sterben
Elisabeth Kolbert
Suhrkamp (2015)
312 S. : zahlr. Ill.
fest geb.
Auszeichnung: Sachbuch des Monats