Zazie in der Metro
Zazie wird von ihrer Mutter "Madame Grossestittes" beim Onkel Gabriel für ein Wochenende abgegeben, weil diese ein ungestörtes Liebeswochenende verbringen will. Gabriel ist Travestiekünstler in einem Cabaret und wird von Zazie immer wieder gefragt, ob er "hormosessuell" ist. Mit dem Freund und Taxifahrer Charles und anderen Freunden fahren sie durch Paris und geraten in einen Strudel von immer absurderen Ereignissen. Unterwegs schockieren sie Touristengruppen, besuchen das Cabaret, doch Zazie will eigentlich nur mit der Metro fahren, die aber mal wieder bestreikt wird. - Die Geschichte der frechen Göre, deren Standard-Antwort "Leck mich" ist und die sich mit allen anlegt und alle schockiert, ist seit dem Erscheinen 1959 geradezu ein Klassiker der französischen Literatur geworden. Nun erscheint sie in einer großartigen Neuübersetzung, mit einem Nachwort, in dem der Übersetzer seine Wort-Neuschöpfungen erklärt. Es empfiehlt sich, dieses Nachwort zuerst zu lesen, und außerdem zunächst Unverständliches laut auszusprechen, wie z.B. das erste Wort "Waschtinkndiso". Zazies unflätige Fäkalsprache wird sehr kreativ und überzeugend ins Deutsche übertragen, dennoch wirkt manches artifiziell, so auch die phonetisch geschriebenen lateinischen Zitate und pseudo-philosophischen Unterhaltungen, die von Schimpfwörtern unterbrochen werden. Raymond Queneau schildert das Paris der kleinen Leute in der Nachkriegszeit als Persiflage, die mit Leichtigkeit und derbem Witz manch schlimmes Schicksal überdeckt, so Zazies Missbrauch und der Mord an ihrem Vater vor ihren Augen. Aufgrund der derben, manchmal schwer verständlichen Sprache und des handlungsarmen Inhalts mit Freude an Unsinn ist dieses Buch nur sprachinteressierten Lesern zu empfehlen. (Übers.: Frank Heibert)
Ileana Beckmann
rezensiert für den Borromäusverein.
Zazie in der Metro
Raymond Queneau
Suhrkamp (2019)
239 S.
fest geb.