Herzklappen von Johnson & Johnson
Almas Großvater hat seinen Einsatz an der Front in Russland, die befehlsmäßig verrichteten Grausamkeiten und die sich anschließende entbehrungsreiche Kriegsgefangenschaft nie überwunden. Während die Generation ihrer Eltern bereits als Kinder
lernen musste, die eigene Persönlichkeit in den Hintergrund zu stellen, und Gespräche über die Vergangenheit konsequent vermeidet, verspürt Alma einen tiefen Drang, die Geschehnisse aufzuarbeiten und das Erlebte nachzuvollziehen. Lange Gespräche mit ihrer Großmutter vermitteln ihr einen ersten, aber immer unvollständigen Einblick, dessen Bilder sie bis in ihre lange Wochenbettdepression verfolgen. Als ihr Sohn die Diagnose erhält, aufgrund einer genetischen Besonderheit keinen physischen Schmerz empfinden zu können, muss sich Alma auf gänzlich neue Weise mit den zahlreichen komplexen Facetten des Schmerzes auseinandersetzen. - Der Roman beschreibt die Gefühlswelt einer Vertreterin der zweiten Nachkriegsgeneration, die einer unausgesprochenen Vorbelastung zu unterliegen scheint, welche ihr jedoch verborgen bleibt, ja vorenthalten wird. Intensiv und eindringlich, zu empfehlen.
Marlene Knörr
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Herzklappen von Johnson & Johnson
Valerie Fritsch
Suhrkamp (2020)
175 Seiten
fest geb.