Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Ein Ich-Erzähler beschreibt seine Liebesbeziehungen zu Frauen der Pariser Gesellschaft. Liebe, Eifersucht und seine Besuche in den gesellschaftlich angesagten Salons verhindern, dass er das Kunstwerk erschafft, das er sich vorgenommen hatte. Damit Auf der Suche nach der verlorenen Zeit beginnt er erst an seinem Lebensende unter der Erkenntnis, dass nur ein echtes Kunstwerk den Künstler überleben lässt und dem Rezipienten neue Welten erschließt. Was bei Marcel Prousts Roman auf 5.000 Seiten dargelegt wird, hat der Autor dieses Comics auf 174 Seiten zu einer ironischen Essenz des Originaltextes zusammengeschmolzen. Dabei entstand das Porträt eines Künstlers, der sich in den Zerstreuungen des gesellschaftlichen Lebens fast selbst verliert. Erst im Alter findet er zurück zu seinen ursprünglichen Vorhaben. Doch die von ihm beschriebenen Blätter verweht die Zugluft, durch unbedachtes Öffnen eines Fensters hervorgerufen. So durchzieht den ganzen Comic eine Ironie, die respektlos und einfühlsam zugleich das Schaffen des Schriftstellers vom Sockel hoher Literatur holt. Sprachlicher Duktus und das Stilmittel eines Leitmotives bleiben dabei erhalten und bewahren die Atmosphäre der Pariser Salons im Fin de Siècle. Vielleicht bringt der Comic Leser dazu, sich an das Lesen von Marcel Prousts 5.000 Seiten zu wagen. Vielleicht werden manche kopfschüttelnd das Buch zu Seite legen. Und vielleicht werden manche den Comic mit Tiefgang einfach nur mit stillem Vergnügen betrachten. Er ist sicher nicht massentauglich und daher nur gut ausgebauten Beständen zu empfehlen.

Lotte Schüler

Lotte Schüler

rezensiert für den Borromäusverein.

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Mahler nach Marcel Proust
Suhrkamp (2017)

173 S. : überw. Ill. (farb.)
kt.

MedienNr.: 591620
ISBN 978-3-518-46808-1
9783518468081
ca. 18,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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