Nacht über Europa
Der hundertste Jahrestag des Kriegsausbruchs 1914 bietet zahlreichen Autoren Anlass, die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts neu zu beleuchten. Dem Verleger und Historiker Ernst Piper geht es primär um die unmittelbare Wahrnehmung des Krieges durch
die damaligen geistigen Eliten. Er schildert eindringlich die Entstehung einer unheilvollen Kriegskultur, in der Literaten, Künstler und Wissenschaftler zu Kriegspropagandisten wurden und die internationale akademische Kommunikation abriss. Nur eine Minderheit von Kriegsgegnern im Schweizer Exil konnte sich dem Freund-Feind-Denken entziehen. Erst das Erleben der Schrecken des Krieges in den Schützengräben führte zu einem Umdenken. Ein eigenes Kapitel ist den Juden gewidmet, die als benachteiligte Minderheit besonders eifrig versuchten, sich als gute Patrioten zu erweisen. Das Interesse des Autors gilt dem Denken der Zeit, das im politischen, gesellschaftlichen und militärischen Kontext ausführlich dargestellt wird. Dabei stehen die Mittelmächte im Zentrum, aber auch das Geschehen in den Entente-Ländern wird korrespondierend in den Blick genommen. - Die anspruchsvolle Neuerscheinung mit kulturgeschichtlichem Schwerpunkt eignet sich für größere Büchereien mit einer speziell interessierten Leserschaft.
Johann Book
rezensiert für den Borromäusverein.

Nacht über Europa
Ernst Piper
Propyläen (2013)
586, [16] S. : Ill. (überw. farb.)
fest geb.