Die große Heuchelei
Immer wieder ist der frühere CDU-Parlamentarier Jürgen Todenhöfer - oft begleitet von seinem Sohn Frederic - mutig in die Kriegs- und Krisengebiete des Nahen und Mittleren Ostens gereist. Mit seinen erschütternden Berichten über das Leid der Zivilbevölkerung, vor allem der dort lebenden Kinder, hat er die bundesrepublikanische Öffentlichkeit aufzurütteln versucht. Nicht überall ist er dabei auf Zustimmung gestoßen und dies wird bei seiner neuesten Publikation nicht anders sein. In 'Die große Heuchelei' kombiniert er Eindrücke vergangener Reisen mit einer sehr pauschalen, holzschnittartigen Anklage gegen den Westen und seine Politiker. Diese hätten Moral und Werte komplett über Bord geworfen und ihre politischen und militärischen Interventionen hätten schon immer nicht dem Schutz der Menschenrechte gedient, sondern seien allein aus Machtkalkül oder Wirtschaftsinteressen erfolgt. Nimmt man sich die gegenwärtige US-amerikanische Außenpolitik als Beispiel, so mag manches daran wahr sein. Doch die Absolutheit dieser Anklage und die sehr vereinfachenden, weit in die Vergangenheit zurückreichenden Rückschauen überzeugen nicht wirklich. Man wünscht diesem streitbaren und strittigen Buch wache Leserinnen und Leser, die mit der Lektüre nicht einfach ihr Weltbild bestätigen wollen, sondern die sich auch kritisch mit Todenhöfers auf dem Buchmarkt recht erfolgreichen Ansichten auseinandersetzen. Für große Bestände.
Siegfried Schmidt
rezensiert für den Borromäusverein.
Die große Heuchelei
Jürgen Todenhöfer. Unter Mitarbeit von Frederic Todenhöfer
Propyläen-Verl. (2019)
327, [16] S. : Ill. (farb.)
fest geb.